Ein berührendes deutsches Familienalbum

Mit viel Gefühl, Verständnis und dennoch mit sehr klarem Blick führt Nora Krug ihren Zeichenstift, setzt sparsam Worte aufs Papier, um sich der Vergangenheit ihres Großvaters Willi Rock aus Karlsruhe zu nähern. Er war ein Mitläufer während des Nationalsozialismus war.

Diese Tatsache an sich zu verarbeiten, ist das eine, sie künstlerisch so kongenial umzusetzen, ist das andere. Ja, ihre Graphic Novel „Heimat“ berührt, sie rüttelt aber auch wach gerade die Jugendlichen der 10. Klasse des Albertus-Magnus-Gymnasiums, die bei der Ausstellungseröffnung am Mittwoch vergangener Woche im Horbachpark zugegen waren. Im Deutschunterricht bei Alexandra Landshuter ist Nora Krugs gezeichnetes Familienalbum Unterrichtsthema. „Die Bilder helfen mir bei der Visualisierung, es läuft ein richtiger Film vor meinen Augen ab“, merkte eine Schülerin an, die mit großer Intensität die Zeilen auf den großformatigen Plakaten liest.

Ausgewählte Bilder aus Krugs Roman sind in der Nähe des Horbachsees auf großformatigen Plakaten zu sehen. „Das ist es, was uns wichtig ist. Das Buch nicht nur herkömmlich zu präsentieren, sondern Literatur auf eine andere Weise zu transportieren“, hob OB Johannes Arnold bei der Begrüßung der open air-Ausstellung heraus. „Auch in meiner Familie gab es einen Mitläufer“, so Arnold, „das beschäftigt mich, das ist schmerzhaft und macht mich traurig, besonders als bekennender Demokrat. Es waren viele, die mitgeholfen haben, damit dies alles so passieren konnte“. Mit Blick auf die Jugendlichen unterstrich er, der Satz, das waren oder sind die anderen, das ist keine Entschuldigung, denn „es sind immer wir“. Und schaut genau, was in dieser Gesellschaft passiert. Bereits bei der Sprache beginnt Ausgrenzung.

Zuvor hatte Christoph Bader, Leiter des Kulturamtes, der zusammen mit Carmen Fahlbusch die Ausstellung im Vorfeld der 42. Landesliterturtage Baden-Württemberg erarbeitet hat, die Jugendlichen nach den Namen von Hitlers Schergen gefragt, sie kamen ebenso schnell wie jene von Widerstandskämpfern, darunter der von Sophie Scholl oder Oskar Schindler. Über diese Personen ist mittlerweile viel bekannt, doch über die Mitläufer so gut wie nichts, so Bader. Deshalb ist Krugs Werk so außergewöhlich und zugleich von großer Bedeutung.

Und dann ging es für die Jugendlichen zu den Plakaten, um Antworten zu finden zu den Fragen, was ist Heimat oder was ist Deutsch. Für die in Amerika lebende, heimwehkranke Autorin, die Wärmflasche oder der Leitz-Ordner oder der Wald oder das Brot. Das Begleitprogramm für die Schulen wurde zusammen mit Dr. Ina Brendel-Kepser Literaturdidkatik an der Pädagogischen Hochschule Karlsruhe erarbeitet.

Die Ausstellung ist bis zum 2. Mai im Horbachpark zu sehen.